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15.07.2006
Stadttheater, Gmunden

In Kooperation mit den Salzkammergut-Festwochen (3)

Andy Sheppard: soprano & tenorsaxophon (GB)
Wolfgang Puschnig: altosaxophon & flute (A)
Roger Janotta: flute (USA)
Christophe Panzani; saxes & flute (F)
Julian Argüelles: saxes (GB)

Lew Soloff: trumpet (USA)
Earl Gardner: trumpet (USA)
Ernie Hammes: trumpet (L)
Giampaolo Casati: trumpet (I)
Gary Valente: trombone (USA)
Gigi Grata: trombone (I)
Giuseppe Calamosca: trombone (I)
Richard Hernry: bass trombone (GB)
Carla Bley: piano (USA)
Steve Swallow: bass (USA)
Karen Mantler: organ (USA)
Billy Drummond: drums (USA)


Zurück zu den Anfängen
Mit einer Anekdote eröffnete Carla Bley letzten Samstag ihr Konzert im Rahmen der Festwochen in Gmunden: "Als ich vor 50 Jahren meinen ersten Job als Barpianistin in Monterey hatte, spielte ich ich die traditionellen Jazz-Standards. Manchmal hatte das Publikum spezielle Wünsche, aber es war mir nicht möglich, Nummern zu spielen, die ich nicht mochte. Somit war das mein letzter Job als Barpianisitin".
Der hohe Anspruch der Avantgarde, den Carla Bley jahrzehntelang selbs vorgegeben hatte, wurde an ihrem Gmundner Abend jedoch nicht erfüllt.
Mit ihrem eigentlichen Instrument, der Big band, spielte die Pianistin traditionellen Jazz. Steve Swallow besann sich dabei der ursprünglichen Funktion der Bassgitarre und gab den Rhytmus vor. Die übrigen Mitglieder der Band, darunter Bleys Tochter Karen Mantler (org), sowie der Österreicher Wolfgang Puschnig (sax), korrespondierten in manchmal epischer dann wieder schrillen Soli.
"Appearing Nightly at the Black Orchid" ist ein Programm aus netten Kompositionen, mit dem sich die Grand Dame des Jazz nach 50 Jahren progressiver Arbeit die legitime Sentimentalität einer Reise zurück zu ihren Anfängen leistet.
Reinhard Winkler - OÖN

Ein Geschenk für alle, die den Jazz lieben
Der Auftritt von Carla Bley sorgte für ein ausverkauftes Haus in Gmunden
Ein Jazzgröße im Format einer Carla Bley hören zu dürfen, ist ein großes Geschenk, wenn man sich für diese Art von Musik interessiert. Hat man in Gmunden dazu die Möglichkeit, grenzt das schon ein wenig an Sensation und es fordert Respekt gegenüber den Veranstaltern der Festwochen, dass sie einen derartigen, musikalischen Leckerbissen in ihr heuriges Angebot bringen konnten.
Entsprechedn honoriert wurden diese Bemühungen mit nicht nur einem absolut ausverkauften Haus sondern auch Nachfragen nach Karten, die ein weiteres Mal das haus hätte füllen können.
Und es ist wirklich ein Hochgenuss, dieser Band von begnadeten Musikern, ihren Soli zuzuhören. Nicht nur Carla Bley selbst ist die Große die vor uns steht, sondern auch Jazz-Fissile wie Steve Swallow an der Bassgitarre - mit der er, mit flüssigen Läufen das Grundgewicht der gesamten Band bildet, oder Andy Sheppard an den Saxophonen - gebieten mit ihrem Spiel Ehrfurcht. Wer von uns Jazzbegeisterten hat nicht mindestens eine Aufnahme mit einem dieser beiden Giganten im Schrank. Aber auch andere aus dem Ensemble, wie Gary Valente, der mit seinem dominanten, gewichtigen und virtuosen Pousanengängen und -soli das faszinierte Publikum hinreißt. Oder etwa ein Lew Soloff an der Trompete, der mit seinem ersten Solo, mit der gedämften Trompete und später mit virtuosen Solohochflügen die ganze Aufmerksamkeit seine Zuhörer fordert. Nicht vergessen darf man auch "unseren" Wolfgang Puschnig am Alt-Sax und Flöte, zuletzt aufgefallen in der Gruppe "Saxofour", die einmal vergliechen wurde mit "Die österreichische Antwort auf das World Saxohpone Quartet".
Gesamt ein Spiel der Klangfarben, das von gehörgängigen Melodien bis zu einem skurill klingenden Verkehrsunfall mit Sirenentönen aus einer trompete in Richtung der freien Grenzen des Jazz weist. Allerdings hätte eine intensivere Tendenz in diese Richtung ganz gut gefallen, meine ich.Es ist wahrlich selten, ein Jazzkonzert in einer derartigen Virtuosität, einer derartigen Harmonie unter den Interpreten, auch wenn freier gespielt wird und mit soviel Herzblut zu hören.
Rudi Gigler - Salzkammergut Rundschau, 19. Juli 2006

Carla Bley bei den Festwochen Gmunden
Bunter Schmetterling
"Musik wie von einem bunten Schmetterling" schrieb die OÖ-Krone" 1983 (!) über Carla Bley-Konzert im Linzert Brucknerhaus. Am Samsttag war es im Stadttheater Gmunden nicht anders.
Die Bandleaderin, Komponistin und Pianistin lud zu ihrem einzigen Österreich-Auftritt.
Carla Bley schrieb ein neues, von der 50er-Jahre-Szene Amerikas inspiriertes Programm "Appearing Nightly". Sie erlebt Erinnerungen an die Bar in Monterey, in der sie mit 17 als Barpianisitin begann. Sie erinnert sich an Standards alter Zeiten und phantasiert mit künstlerischer Reife neues. Unentwegt wechchseln Rhytmen, Melodienvielfalt zeichnet ein Kaleidoskop schillernder Jazzfarben.
Starsolisten wie Andy Sheppard, Wolfgang Puschnig oder Steve Swallow schneiden expressionistische Improvisationen in harmonietrunkene Orchestersätze.
Mit 68 Jahren und nach 40 Jahren Big Band ist die Bley noch immer die maßgebende "femme d'orchestre du jazz". Sie dreht die Uhr nicht zurück, sondern kreiert ein respektvolles Dacapo amerikanischer Musik des 20. Jahrhunderts.
PV - Krone Zeitung, 17. Juli 2006

Fest der doppelten Böden
"Ich konnte nicht spielen, was ich nicht mochte": Ein Bekenntnis wider den Mainstream, mit dem Carla Bley am Samstagabend im ausverkauften Gmundner Stadttheater den ersten Höhenpunkt der Salzkammergut-Festwochen einleitete. Nur, um wenig später ein aalglattes Intro in schlechtester Art an die Tasten zu schmeicheln. Dieses wurde von einem Dutzend Bläsern samt Rhytmussektion bald Schritt für Schritt aufgebrochen, um in eine zündende Abrechnung mit Bleys Vergangenheit als erfolgslose Barpianisitin zu münden.
So doppelbödig kann Jazz sein.
Wie sonst nur die Meister der "ernsten" Postmoderne benutzt carla Bley gegensätzlichste Stilmittel, um sie wild zu mischen und konterkarieren. Dabei ist die Pianistin keine Kapellmeisterin im traditionellen Sinne, die vor ihrem Blas-Orchester wild fuchtelnd Stellung bezöge; die Akzente setzt die 68-Jährige vielmehr vom Flügel aus, reduziert selbst dort das Spiel auf akkordisch-motivisch Essenzielles.
Diese transparenz ist auch ihrer Big Band eigen, die sich im Laufe des Abends als gut durchmischtes Kollektiv rund um einige kreative Freigeister offenbarte. Wolfgang Puschnigs gewohnt folkloristisch abgehauchte Alt-Sax-Soli seien hier angeführt, oder das gewichtige, irrwitzig risikoreiche Posaunenspiel Gary Valentes. Ansonsten regierte über den stabilen Grooves von Bassist Steve Swallow und Drummer Billy Drummond das Spiel von sommerlicher Easy-Listening-Finte schnell in einen schräg tönenden Verkehrsunfall verwandeln konnte. ("Tear on the traffic"). Ambulante Sirene inklusive. Das sich solch Freiheit kollektiver Improvisation leider eher im Rahmen hielt, war 400 begeisterten Festwochengästen kaum Anlass, ihre Begeisterung in ebenjenem zu halten.
flo - SVZ, 17. juli 2006