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31.10.1999
Kongress & Theater Haus, Bad Ischl

Jubiläumskonzert "20 Jahre Jazzfreunde"

Joe Zawinul: Keyboards (A/USA)
Victor Bailey: Bass (USA)
Gary Poulsen: Guitar (USA)
Karim Ziad: Drums (DZ)
Manolo Badrena: Percussion & Vocals (PRI)

Jazzfreunde feierten 20er
Mit einem sensationellen Konzert mit Joe Zawinul begingen die Ischler Jazzfreunde im Kongreßhaus ihren 20 jährigen Bestand. Die Veranstaltung war restlos ausverkauft, die Stimmung war bombig, der Saal drohte zeitweise überzukochen
Seit zwanzig Jahren sind die "Jazzfreunde Bad Ischl" um die Förderung des Jazz bemüht. Das Jubiläum wird am 31. Oktober mit einem Konzert Joe Zawinuls gefeiert: Der Stilbildner des Fusion Jazz tritt mit dem "Syndicate" im Kurhaus auf. Bedeutende Musiker der Moderne haben so den Weg nach Ischl gefunden: das World Saxophone Quartett, Don Cherry oder Charles Lloyd. Diese Pioniertat wird vor allem von Land und Bund unterstützt - die Gemeinde selbst setzt lieber auf Operette und speist die Kulturmacher mit einer Bagatelle ab. Und das neue Kurhaus ist für Konzerte teuer und nur bedingt geeignet. . .
Peter Baumann: Krone Zeitung - 8. Oktober 1999

Denkmalpflege ist manchmal eine schwierige Angelegenheit
Ein schönes Fest mit der notwendigen Feierlichkeit und dem entsprechenden Publikumsrahmen ist es gewesen: Das Jubiläumskonzert der Jazzfreunde
Ein Zeitalter, eine Ära eines Vereines, der wie wenig andere über die Jahre das Veranstaltungsleben bereichert hat, scheint zu Ende zu gehen. Das hinterließ zumindest bei mir einen gewissen wehmütigen Beigeschmack an diesem Abend. Offensichtlich muss manches ein Ende finden, um die richtige Einschätzung zu erhalten.
Vielleicht ist überhaupt Wehmut eine Grunddeterminante für dieses große Konzert mit einem ganz Großen seiner Zunft. Dieser Mann, Joe Zawinul, ist ein Begriff in der Jazzwelt. Einst war er als zorniger junger Mann, als Freibeuter des Jazz ins „gelobte Land“ gezogen. Dort wurde er bald zum Advokaten des elektronischen Jazz. Sein Stil, seine musikalische Arbeit wurde zum Ausdruck einer großen Persönlichkeit. Aber…
Dieser Abend am vergangen Sonntag blieb mir als einer mit vielen „Abers“ in Erinnerung. Der „Joe“ aus Erdberg bewegt noch immer die Massen, ein fast zeitloses Phänomen mit viel Wiener Schmäh und gutem Zugriff zum zahlreich erschienen Publikum im großen Saal. Dieser Mann hat Berge in Bewegung versetzt bei seinem Bemühen um das Crossover von Jazz und den vielen ethnischen Strömungen dieser Welt. Auch durch Zawinul wurde Jazz zu einer wirklichen World-Music.
Ja sicher, aber! Der Umgang mit großen Persönlichkeiten, zu Denkmälern gewordenen Institutionen ist so eine Sache. Die Unsicherheit des Rezensenten, ein so großes Ereignis mit einem so Großen seines Fachs im „kleinen“ Bad Ischl in Form einer Kritik zu erfassen, ist eine Gratwanderung. Aber der Zawinul, der mich wie kaum ein Anderer in den 70igern musikalisch durch meine damals noch junge Welt irgendwie „führte“, machte es mir und vermutlich auch anderen wirklich nicht leicht.
Aber es muss heraus: Zawinul arbeitet nicht mehr an der Vertiefung seines musikalischen Ausdrucks, nein, er tritt auf der Stelle. Es gibt viel zu viel sattsam Bekanntes. Er erscheint mir zu sehr gefangen in seinem System aus routinierten Sounds und Phrasen. Zawinul kann wie kein Anderer Klavier spielen, seine Entwicklungsarbeit für und am E-Piano ließen Kritiker vor Jahrzehnten erstarren.
Fragen über Fragen
Heute sind es fast nur noch Selbstzitate und Anleihen an seinen Keyboardssounds nach „Wheater Report“. Warum spielt der Mann nicht mehr seine großen Melodien und seine groovigen Soli? Warum ist nicht nur er stetig unterfordert, und überträgt dies auch noch aufs Publikum? Fragen über Fragen!
Das „Syndicate“ ist natürlich mehr als eine Profiband. Ein Orchester aus großen Persönlichkeiten mit jeweils großer musikalischer Historie, aber an diesem Abend auch nicht mehr als eine feine Combo. Routiniers an der Arbeit, aber fast schon mit einer gewissen Arbeitnehmermentalität. Was meine ich damit? „Nur nicht anecken … scheint die die Devise“! Schon fast eine „Sozialpartnerschaftscombo“ ist da unterwegs. Alles ist geregelt, alle Rahmenbedingungen abgesteckt und einzuhalten. Ein wohltuendes Nebeneinander ! Kleine, fast unsichtbare manuelle Direktiven bestimmen das Combospiel. Wenig Band – Auseinandersetzung, wenig Mut zum Risiko. Jazz ist mehr als das!
Schade drum. Risse im Denkmal waren nicht zu überhören. Die gute Combo „Syndicate“ hat eh noch manches zugekleistert und geschickt abgedeckt. Ein Vollprofi wie Zawinul kann sich sein „Silikon“ einfach leisten. Vor allem die zweite Hälfte des Konzerts war eine lange Abfolge von Andeutungen, ein langes Zuwarten auf das so geschätzte Zawinulsche Abgrooven. Vielleicht hat der gute alte Zawinul, nach eigener Aussage erstmals im „netten Bad Ischl“, aber auch nur einen schlechten Tag erwischt?
Liebe Jazzfreunde: Wäre ich 20 Jahre jünger, würde ich auf Euren Appell um neue Mitarbeiter gerne nachkommen. So kann ich Euch nur auf diesem Wege danken für so manches gute Konzert in viel kleinerem Rahmen.
Roland Holzwarth: Salzkammergut Zeitung - 4. November 1999