06.11.2014
Evangelische Kirche - Bad Ischl
Wolfram Berger: Stimme
Karlheinz Miklin: Saxophone, Flöte, Bassklarinette
Jazz trifft Literatur: Flucht aus der Zeit
Unter diesem Motto gastierten am Donnerstag auf Einladung der Jazzfreunde Bad Ischl Karlheinz Miklin, einer der renommiertesten österreichischen Jazz-Instrumentalisten mit internationaler Reputation und der nicht minder bekannte, verspielte, tiefgründige und heitere „Jazz-Schauspieler“ Wolfram Berger in der evangelischen Friedenskirche.
Vor 100 interessierten Besucherbegaben sich die beiden Künstler im wahrsten Sinne des Wortes in die wundervollen, poetischen und fantastischen, zum Teil apokalyptischen Welten von Hugo Ball, Erich Fried und Joachim Ringelnatz.
Im Zentrum der Lesung standen die Texte aus Hugo Balls (Pionier des Lautgedichts und „Erfinder des Dadaismus“) großen aphoristischen Gedankenbuch von 1927 „Flucht aus der Zeit“. Der fragmentarische Charakter macht die Besonderheit des Texte aus: Hier wird nichts geglättet, sondern man sieht das Denken an der Arbeit, die Berger in kongeniale Wortmusik verwandelt und Karl-Heinz Miklin bettet diese Gedanken eindringlich in unnachahmlicher Weise in Musik. Mit Improvisationen auf Saxophon, Flöte und Bassklarinette liefert Miklin meditative Impressionen, die aus der Inspiration des Augenblicks entstehen. Wolfram Berger lässt die Worte zu fühlbaren Stimmungen werden, indem er die genau nuancierten Zwischentöne herausschält und sicher auf dem Grat zwischen Komik und Tragik balanciert.
Trotz frenetischem Applaus und der Forderung des Publikums nach Zugaben, konnten die beiden Ausnahmekünstler diesen Wunsch aufgrund des nicht vorhandenen Repertoires nicht erfüllen, versprachen aber dies bei der nächsten Lesung in Bad Ischl nachzuholen. Große Empfehlung!
Josef Gebetsroither - Neues Volksblatt, 8. November 2014
„Flucht aus der Zeit“ -
Jazzer Karlheinz Miklin und Schauspieler Wolfram Berger in Bad Ischl.
Die Verschmelzung von Jazzmusiken und literarischen Stücken ist so neu auch nicht.
Trotzdem war es eine interessante Versuchsanordnung, die sich den BesucherInnen des Abends der Ischler Jazzfreunde am vergangenen Donnerstag in der evangelischen Kirche präsentierte. Beide genannten Exponenten sind wahrlich keine Unbekannten – Miklin gehört seit Jahrzehnten zur österreichischen Jazzelite und Berger ist mehr als bekannt von „Funk und Fernsehen“.
Dementsprechend hoch waren die Erwartungen.
Einige Fragen blieben auch trotz aller Begeisterung beim Auditorium für mich offen bzw. unbeantwortet.
Ist die Versuchsanordnung gelungen?
Jawohl, allerdings bewegte sich für mich das Improvisationsspiel von Miklin manchmal zu sehr an der elektronischen Oberfläche – manchen „Loop“ als permanente Wiederholungsschleife hätte sich der Grazer ersparen können und mehr auf seine Improvisationsgaben vertrauen sollen.
Warum erschlossen sich die Texte von Hugo Ball, Erich Fried und Joachim Ringelnatz trotz der poetischen und fantastischen Attitüden für mich nur zum Teil?
Großartig gelesen wurden diese Wort- und Textpassagen von Berger. Jahrzehntelange Schauspiel- und Hörspielerfahrung machen schon sicher und gelassen im Vortrag. Die Texte über die Liebe zum Leben, die Sehnsucht, die Vergänglichkeit und die Wunder im Kleinen, im Verborgenen ...waren schon sehr ambitioniert.
Und gerade deswegen erschien mir die eine oder andere Textstelle als scheinbar zu „verinnerlicht“ und vor allem von der inhaltlichen Seite als zu „schwerwiegend“.
Warum war das Ganze schon nach einer knappen Stunde zu Ende? – und das unwiderruflich?
Dass so ein famoses Team nicht die Schlagfertigkeit, Routine und Gelassenheit hat, am Ende wirklich durch ihre Text- und Musikwelten zu improvisieren, machte mich ein bisschen ratlos und enttäuscht.
Und ich vermute nicht nur mich,
meint Roland Holzwarth