10.04.2000
Lehar Filmtheater, Bad Ischl

Marc Copland: piano (USA)
John Abercrombie: gitarre (USA)
Kenny Wheeler: horns (CA/USA)

Sparsamkeit als jazzmusikalisches Erfolgsmotto
Copland, Abercrombie und Wheeler bewiesen bei ihrem Auftritt in Bad Ischl, daß Reduktion auf das Wesentliche in den meisten Fällen ein Mehr bedeutet.

Irgendwie scheinen die Programmchefs der diversen Kulturinitiativen im Salzkammergut heuer die Fastenzeit als Themenschwerpunkt ihrer Konzertplanung einbezogen zu haben. Vielleicht wars aber auch nur reiner Zufall, daß am vergangenen Freitag ein ganz ruhiges, sehr leises, aber dafür umso wertvolleres Jazzkonzert im Ischler Lehartheater über die Bühne ging. Auf jeden Fall gab’s jede Menge Gelegenheit zum Innehalten, zum entspannten Durchhängen. Man mußte allerdings schon die nötige Gelassenheit, die entsprechende Einstellung haben, um die Konzentration für das Konzert von Abercrombie - Wheeler – Copland zu finden. Gewiß gab es an diesem Abend wenig gewinnbringenden Swing und noch mehr druckvollen Drive. Und doch wars ein großer Jazzabend. Es überwogen vielmehr der unterschwellige Jazzvortrag und das ganz ohne die gewohnte Rhythmussektion. Und so blieb die Musik des Trios aus den USA auf dezentem, manchmal sogar samtweichem Balladenniveau.
Hat da jemand die Langsamkeit und Getragenheit als zu sedierend beklagt?? Mir hat an diesem Abend rein gar nichts gefehlt. Es war eine bewußte Einübung in konzentriertes Lauschen und bewußtem Erkennen minimaler Variationen in Rhythmus- und Melodieführung. Die bewußte Abkehr von Lärmigem und der Dauerberieselung bringt vielleicht geradezu Entzugserscheinungen mit sich. Allerdings führt nur bewußter Verzicht seitens der Musiker und des Publikums zu neuen Höhen des Musikhörens. Copland, Abercrombie und Wheeler sind sowohl Team als auch gleichberechtigte Solisten, sind Combo und Individualisten. Melodien werden unisono entwickelt, werden einige Zeit lang gemeinsam getragen bis irgendwann jeder, dem „Ritual“ des Jazz entsprechend, zu seinen eigenen neugierigen Ausflügen aufbricht. Ein leichtfüßiges Zurück zum Combosound ist problemlos und leicht nachzuvollziehen. Könner wie diese Herren brauchen keinerlei selbstdarstellerische Eitelkeit und selbstverliebte Showelemente. Musiker vom Schlag Abercrombie, Wheeler und Copland lassen ihre Instrumente sprechen, solo oder unisono. So erobern sie mit ihren bewußt abgespeckten Kommunikationsmitteln die Ohren und die Herzen der Zuhörer (allerdings nicht aller!!). Einen sehr nachhaltigen Eindruck hinterließen alle. Kenny Wheeler begeisterte vor allem durch seinen samtigen Ton des Flügelhorns. Daneben konnte man sich immer wieder von seinem kompositorischen Können überzeugen. Abercrombie ist noch immer der Schelm der 70iger Jahre, in denen er auf ECM Records bahnbrechendes für die Jazzentwicklung geleistet hat. Meist überwiegt sein sustainreich angezerrter Grundton. Spannung baut er als ständiges Warten auf die Eruption geschickt auf. Verweise auf mögliche Explosion sind für ihn Spannung genug. Copland ist der Gruppenchef und trotzdem dezent in seinem Pianospiel. Wie auf Glasperlen führte einen der Mann durch seine Pianowelt, und das mit glasklaren Soli und feinsten rhythmische Nuancen.
Abschließend könnte man den Abend mit diesem Dreier, selbstredend ironisch, als „heilmusikalische“ Abhandlung verstanden wissen.
Roland Holzwarth: Salzkammergut Zeitung, 13.4.2000

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