27.05.1988
Kurhaus - Theatersaal, Bad Ischl
Jan Garbarek: reeds (N)
Eberhard Weber: bass (D)
Nana Vasconcelos: perc. (BR)
Rainer Brünninghaus: keyb. (D)
Jazz zum Mitdenken
Jan Garbareks Quartett begeisterte in Bad Ischl:
Ein Konzert der Extraklasse begeisterte in Bad Ischls vollem Kursaal: Saxophonist Jan Garbarek, Bassist Eberhard Weber, Keyboard- Spieler Rainer Grüninghaus und Perkussionist Nana Vasconcelos machen bewundernswerten Jazz, der mehr fordert als behagliches Belauschen, der zum Mitfühlen zwingt, zum Mitdenken, zum Mitswingen.
Die vier kongenialen Künstler kreieren in wir-tuosem Miteinander ihre Maß-Musik. Deren Richtung, Klima, Fasson und Temperatur sind in sämtlichen Tempi charakteristisch und dennoch alles andere denn einseitig. Gescheit gestaltete Kompositionen der köstlichen Sorte und inspirierte Improvisationen, die den Hang zu ausgefeilter Poesie bezeugen. Eindringlich werden Gefühle und Stimmungen reflektiert. Vieles wirkt elegisch, Heiteres wird nie lustig, Moll dominiert. Spannungen zwischen der Neigung zu Sinnlichkeit begünstigenden Melodien und dem energischen Loslassen rhythmischer Extravaganzen erweisen sich als ebenso vorbildlich wie die Balance zwischen raffiniert ausgetüfteltem Ineinander des Gruppenspiels und völliger Freiheit für den Tatendrang der fabelhaft formulierenden Solisten. Jeder bringt zudem sinn- wie effektvoll bewältigte Elektronik ins Spiel, etwa Akkordeon-"Echos" des Saxophons, Baß-Viel-Saitigkeit, Perkussions-"Partner".
Erinnerungen werden geweckt an höchste Combo-Karätigkeiten von Tatum über Mulligans Quartette und das MJQ bis zur Gegenwart, an kammermusikalische Pfade das Barock, uneindeutige Melancholie eines Tangos, coole Klänge des Miles Davis Capitol Orchestra.
OÖN - 30.05.1988
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Wortlose, wohltuende Komunikation
Die Jan Garbarek Group gab in Bad Ischl ein hinreißendes Konzert
Die Skandinavier sind für ihre Schweigsamkeit bekannt, was oft fälschlich als Gefühlskälte bezeichnet wird. Jan Garbarek, 41 jähriger Norweger, sprach bei seinem Konzert am vergangenen Freitag im Bad Ischler Kurhaus zwar kein Wort, was er und seine Mitmusiker den mehr als 200 begeisterten Zuschauern in einem zweieinhalbstündigen Konzert zu sagen hatten, bedurfte jedoch keine Worte. Die "Botschaft" kam allein durch die Instrumente derart sensibelund Intensiv, das sie Kaum anderes als mit einer zärlichen Liebeserklärung an die Zuhörer und an die Musik selbst umschrieben werden kann.
Jan Garbarek (Saxophon, Flöte) holte sich mit Rainer Brüninghaus (Keyboards), Eberhard Weber (Baß) un dem phantastischen Brasilianer Nana Vasconcelos (Percussion) Musiker in seine Gruppe, die ebenfalls die Sensibilität des Norwegers in sich haben. Der "Klangpoet" Weber spielt schon lange Mit Garbarek und hat daher seine Musik mit seinem unverwechselbaren Sound wesentlich beeinflußt. Liebevoll behandelt er seinen elektrischen Kontrabaß, dessen Klangspektrum er mit Hilfe der technik zwar wesentlich erweitert, aber niemals syntetisch klingen läßt.
Auch Brüninghaus hatte hinter seinen tasteninstrumenten einen Turm von elektronischen Hilfsmitteln stehen, die aber ebenfalls nur verwendet wurden, um die gefühlsbetonten Ausdrucksmöglichkeiten zu verstärken. Wie die anderen Musiker auch, war Brüninghaus immer darauf bedacht, sich selbst nicht in den Vordergrund zu stellen, sondern immer nur zu einer möglichst vollkommenen Ganzheit beizutragen.
Mit Nana Vasconcelos hat sich Garbarek einen Musiker in die Gruppe geholt, der nicht nur zu dem besten Parkussionisten der Welt zählt, sondern der trotz der unterschiedlichen Herkunft ähnlich sensibek und vielseitig wie der Norweger ist. Vasconcelos behauptet von sich selbst, dann am besten zu spielen, wenn er nicht spielt. "Man muß die Bedeutung der Stille erkennen" meint das Mitglied der legendären Gruppe Codona. Unauffälig sitzt er auf seine Decke, rund um sich Rasseln, Glocken, trommeln und seine Berimbau, die er einsetzt, um aus dem Rhythmus Melodien zu erzeugen.
Garbarek selbst spielt auf seinem gebogenen Sopranosaxophon melodiös, romantisch, ästhetisch, einprägsam oder ganz einfach schön. Er regt zum Träumen und zum Nachdenken an. In den siebziger Jahren hätte man diese Musik als Weltmusik bezeichnet, da sie aber zeitlos ist, sollte sie besser als Ausdruck seiner starken, gefühlsbetonten Persönlichkeit gesehen werden, die durch sein Vorbild John Coltrane geprägt ist.
Erst nach zwei Draufgaben waren die "benommenen" Zuschauer zufrieden, dabei hätten sie am liebsten gar nicht geklatscht, sondern einfach weitergeträum...
Alexander Savel - BISZ, 01.06.1988