Donnerstag, 14. November 2024
Landesmusikschule - Bad Goisern
Ikonen, Puntin & Chemirani
Kari Ikonen: piano, with & without Maqiano (FIN)
Claudio Puntin: clarinet & bass clarinet (CH)
Keyvan Chemirani: zarb, daf & other percussion (F/IRN)
West-Ost- und Neuland
Seit Yehudi Menuhin mit Ravi Shankar "West meets East" aufnahm (1966) oder John McLaughlin ein paar Jahre später das Mahavishnu Orchestra und die Band "Shakti" gründete, ist das Fusionieren von Musik-Traditionen eine beliebte Jazz-Sparte. Oft genug reicht's aber nur für ein Nebeneinander, für Collagen aus Zitaten. Im Idealfall verschmelzen die Traditionen zu etwas Neuem. Verblüfft erahnt man dabei Einflüsse, aber diese verschwinden im nächsten Moment und geben einem neuen Sound, einem neuen Groove Raum.
Ein solcher Idealfall trat beim Konzert des Trios Ikonen, Puntin & Chemirani ein.
Zunächst ließ jeder seine Herkunft und seine ureigene Passion erkennen. Der Finne Kari Ikonen glänzte mit meditativen Klaviersoli von nordischer Eleganz und packender Programmmusik. Mit letzterer meine ich ein Stück, in dem er samt Gepäck quer durch die Stadt zu einem Bus hetzt, der ihm vor der Nase davonzufahren droht, oder die beklemmende Elegie über die beim Tschernobyl-Gau verstrahlte Geisterstadt Prypjat.
Claudio Puntin verblüffte als Virtuose. Wie der Schweizer es schafft, computergenerierte elektronische Tanzmusik nachzuahmen, mit Zirkularatmung, mit der Erzeugung von Klarinettentönen beim Lufteinsaugen, das sorgte im Publikum für weit aufgerissene Augen und Ohren.
Keyvan Chemirani zeigte, dass die Wurzeln seiner Percussion-Kunst nach Nordindien reichen. Wofür westliche Drummer riesige Schlagzeug-Batterien aus vielfältigen Instrumenten brauchen, dafür genügen ihm zehn Finger, zwei Handballen und das Fell einer Trommel. In seinem Fall ist es eine persische Zarb. Klang, rhythmische Muster und Verzierungen erinnern an die aus der klassischen indischen Musik kommenden Tabla, deren Ausdrucksmöglichkeiten Chemirani aber noch hörbar erweitert hat.
Und jetzt noch zum geradezu wundersamen Idealfall. Wundersam deshalb, weil alle Drei in Bad Goisern zum allerersten Mal miteinander spielten und improvisierten. Jeweils zu zweit hatten sie schon auf der Bühne gestanden. Kari Ikonen präparierte seinen Flügel mit dem von ihm erfundenen und patentieren Maqiano™ Microtuning System, sodass er die typisch arabisch klingenden Zwischentöne spielen konnte. Das Ergebnis? Ein neuer Sound, ein neuer Groove, neue Räume. Das Auditorium schmolz dahin.
Josef Aigner
P.S.: Der Landesmusikschule Bad Goisern und Peter Brugger sei Dank, dass dort ein Klavier-Kraftplatz ist! Drei Stunden vor Beginn, beim Soundcheck, stellte sich heraus, dass das Konzert am falsch gestimmten Klavier zu scheitern drohte. Klavierstimmer war bis hin nach Linz und Salzburg spontan keiner aufzutreiben. Dafür standen in der LMS - man lese und staune - vier Flügel zur Auswahl, von denen einer dann doch passte. Kari Ikonen drehte noch an den Stimmwirbeln, als schon die ersten Zuhörer in den Saal traten.
Josef Aigner